Feuchteschutz

Im Winter mit Sicherheit bauen

Im Bautraum wird der Winter als Phase der Planung und Genehmigung genutzt. Danach beginnen alle im Frühjahr mit dem ideal vorbereiteten Hausbau. Da jetzt die (Roh-)Baufeuchte rasch durch die steigenden Temperaturen und die idealen Klimabedingungen austrocknen kann, kann die Bauherrschaft im Herbst in ein trockenes Gebäude Einzug halten. Träumen darf man ja, nur im Alltag trifft das selten zu. Wechselnde Temperaturen, Wind, Niederschläge und Baufeuchte stellen eine reale Herausforderung für Mensch und Material dar. Auf die sichere Seite kommt man dennoch mit ein wenig Nachdenken und der richtigen Planung.

Was haben die Winterbaustelle und das Wäschewaschen gemeinsam?

Bauabläufe im Winter und das Wäschewaschen haben die Gemeinsamkeiten Wasser, Energie und Zeit. Früher war das Wäschewaschen ein Kraftakt mit viel Handarbeit, heute hat sich das komplett geändert. Die mühselige Handarbeit ist durch Technik ersetzt, Waschmaschine und Wäschetrockner. Damit wurden sowohl die Arbeit erleichtert als auch die Abläufe beschleunigt. Beim Bauen haben sich ebenso die Abläufe beschleunigt und die Arbeit ist durch Technik leichter geworden. Es gibt jedoch noch keinen 3D-Drucker der unser Holz, den Estrich und den Putz ausspuckt und alles ist gut. Das hohe Tempo und das ganzjährige Bauen fordern jedoch von uns ein neues Programm wie beim Waschen und Trocknen. Wie kann man Abläufe regeln und wie erreicht man das mangelfreie, einzugsfertige Gebäude?

Im Prinzip ist der Weg zu einer gelungenen Frühling-, Sommer-, Herbst- und Winterbaustelle einfach. Es genügt, drei Punkte zu berücksichtigen:

  • Reaktion des eingesetzten Materials auf die äußeren Einflüsse
  • sachgerechte Bauleitung
  • Reaktion der Bauteile auf die jeweiligen Einflüsse
Kondensat durch Baufeuchte
Putz oder Estrichfeuchte schlägt sich auf den Bauteiloberflächen in Form von Wassertropfen nieder. Sowohl am Dachfächenfenster, als auch an der Dampfsperre kommt es zu einer massiven Kondensatbildung.

Wie reagieren Materialien auf äußere Einflüsse?

Anorganische, mineralische Baustoffe zeigen sich, mit wenigen Ausnahmen, kaum beeindruckt von erhöhten relativen Luftfeuchten. Sie tragen „lediglich“ durch ihre Trocknung einen guten Teil zur Befeuchtung des Neubauklimas bei. Im Gegensatz dazu ist die Situation für organische Materialien wie Hölzer oder Holzwerkstoffe unter lang andauernd hohen Luftfeuchtigkeiten gravierender: Auf freien Oberflächen lagern sich in der Raumluft natürlich befindliche Pilzsporen an und beginnen bei der passenden Kombination aus Zeit, Nährstoff, Luft und Feuchte auszukeimen. Ausgewachsene Schimmelpilze, Stockflecken oder auch zerstörende Pilze können die Folge sein. Es ist leider hinreichend bekannt, dass deren Existenz Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner nimmt und sie deshalb tunlichst vermieden werden müssen.

Eine weitere Materialreaktion auf langfristig erhöhte Befeuchtung ist die Längen- und Querschnittsänderung durch Feuchteaufnahme. Bei der anschließenden Trocknung auf die Gebrauchsfeuchte, die oft deutlich länger dauert als die Befeuchtung, kann es z. B. zu Schwindrissen an einer im Bauablauf später angebrachten Innenbekleidungen kommen.

Dieses Phänomen deutet auf eine Herausforderung hin – feucht und nass werden Materialien relativ schnell, die Trocknungsdauer von Material und Bauteil ist jedoch recht unterschiedlich und dauert deutlich länger als die Auffeuchtung. Daher kann es noch lange nach der Übergabe an den Kunden zu „Auffälligkeiten“, Beanstandungen kommen. Der Landesverband Schreinerhandwerk Baden-Württemberg empfiehlt daher z. B. in der Broschüre „Schimmelpilze hinter Möbeln“ innerhalb der ersten Jahre nach Fertigstellung Schränke oder Kommoden von Außenwänden aus anorganischem Mauerwerk abzurücken und diese zu hinterlüften. Andernfalls besteht die Gefahr der Schimmelpilzbildung hinter den Möbelstücken. Es ist also zur Schadensvermeidung sinnvoll vor der Baustellenarbeit Hirnschmalz und Energie in Materialwahl, Detailplanung und Bauablauf zu investieren – damit kann auch der unliebsame Neubauschimmel vermieden werden.

Worauf sollte beim Bauablauf geachtet werden?

Es gilt, unabhängig von der Bauweise, Konstruktionen und die darin enthaltenen Materialien vor zusätzlicher Feuchte zu schützen. Beim Mauerwerks- oder auch beim Holzbau können Fensterausschnitte beispielsweise durch eine Unterfensterbank geschützt werden. Durch unsachgemäßes Vorgehen kann sonst unzuträglich hohe Feuchte in Material und Gebäude eindringen. Durchnässte Untergründe und Wandbildner sind zudem ungeeignet, einen trockenen Holzbau (Dachstuhl) aufzunehmen oder mit einer Dämmung und einer Dampfbremse versehen zu werden. Bei nassen, vor allem mineralischen, Baustoffen besteht zudem die Gefahr von Frostsprengung.

Tagwasser auf Winterbaustelle
Tagwasser kann in Mauerwerk zu hohen Feuchtegehalten führen. Wird diese Durchfeuchtung nicht gewissenhaft getrocknet ist Neubauschimmel kaum vermeidbar. Folgegewerke sollten ggf. Bedenken anmelden.

Im Bauablauf wird schrittweise die Gebäudehülle geschlossen: Wand, Dach, Fenster. Estrich und Putz werden eingebracht. Durch diese Maßnahmen werden hunderte Liter Wasser ins Gebäude eingetragen. Im Weiteren stellt sich dadurch im Gebäude ein ungeregeltes Innenklima mit moderaten Temperaturen und hoher Luftfeuchte ein. Früher konnte der Rohbau einen Sommer lang trocknen. Heute sind – wie beim Wäschewaschen – die Abläufe schneller geworden. Daher muss man beim Bau – wie beim Wäschewaschen – zum Erzielen eines guten Endergebnisses mehr Energie einsetzen. Das sind bei Wäsche und Bau jeweils die technischen Trockner, geschuldet der Geschwindigkeit und dem Endergebnis „mangelfreies, einzugsreifes Gebäude“.

Wie reagieren Bauteile auf die Einflüsse?

Da das wichtigste Teil eines Bauwerks – das Dach – in der Regel in Holzbauweise hergestellt wird, lohnt es sich, einen kritischen Blick hierauf zu werfen. Besonders anspruchsvoll ist hier das vollgedämmte Flachdach: Was passiert genau in diesem Bauteil, wenn im Bauwerk über längere Zeiträume baubedingt erhöhte Luftfeuchtigkeiten herrschen? Eine klassische Situation wird bei Winterbaustellen von der Bauherrschaft provoziert: „Der Estrich muss noch vor Weihnachten rein!“ Durch die geforderte Ruhephase des Estrichs geht ohnehin Zeit verloren und da zwischen Weihnachten und Neujahr das Bauvorhaben sowieso still steht scheint diese Woche gut genutzt. Klingt gut? – was passiert jedoch, wenn die Arbeiten nicht wie vereinbart nach gut einer Woche fortgesetzt werden? Welchen Einfluss haben 4 Wochen Stillstand auf der Baustelle bei winterlich kalten Außentemperaturen und einem baubedingt tropisch feuchten Innenraumklima?

Im günstigsten Fall haben sich auf einer vorhandenen Innenbekleidung (z. B. aus Gipsbauplatten) oder auf der Installationslattung weder Schimmel noch Stockflecken gebildet.

Nach einem so langen Zeitraum hoher Luftfeuchtigkeit ist es erforderlich, konsequent zu entfeuchten. Je länger Feuchtigkeit Zeit hat von der Oberfläche in die Tiefe des Materials einzudringen, desto länger benötigt der Baustoff um austrocknen und sich auf die effektive Gebrauchsfeuchte einzustellen. Auch stellt sich die Frage, kann die erhöhte Feuchte in der Schalung überhaupt wieder heraustrocknen und was passiert in den folgenden Wochen? Der Winter ist ja noch nicht zu Ende.

Auswirkungen einer winterlichen Bausituation auf ein bekiestes Flachdach. Die folgenden Abbildungen zeigen die Entwicklung des Feuchtegehaltes in der 24 mm starken Holzschalung zu Zeiten erhöhter Baufeuchte und der anschließenden Nutzungszeit.

Die hygrothermische Simulation mit WUFI pro gewährt hier einen tieferen Einblick: Unabhängig davon, ob innenseitig des Bauteils eine feuchtevariable Dampfbremse mit Zulassung oder Bahnen mit konstanten Diffusionswiderständen eingesetzt werden, steigt in der äußeren Holzschalung während vier Wochen die Materialfeuchtigkeit kontinuierlich. Wer jetzt womöglich noch einer alten aber schon längst überholten Regel folgt und bei einer vollgedämmten Flachdach-Konstruktion reflexartig eine starre Dampfsperre anordnen möchte, sei gewarnt: Die Dicht-Dicht-Bauweise hat schon bei vielen Konstruktionen zu kapitalen Bauschäden geführt, da ungeplant eingedrungene Feuchtigkeit nicht wieder austrocknen konnte.

Wird das Bauteil wieder trocken?

Bei einer nach außen hin diffusionsdichten Konstruktion kann die Feuchte nur nach innen austrocknen. Die zugelassene feuchtevariable Dampfbremse verhält sich in der Bauphase wie eine 2-m-Bahn, fördert jedoch sicher in der Nutzungszeit die Austrocknung. Dampfbremsen mit starrem sd-Wert hingegen weisen nicht genügend Austrocknungspotential auf. Die Feuchte schaukelt sich innerhalb weniger Jahre auf und ein Bauschaden ist die Folge.

Was sagt der Gesetzgeber dazu?

Die aktuelle DIN 68800-2 fordert für eine Konstruktion im Anhang A.20, dass eine feuchtevariable Dampfbremse bei baubedingt erhöhter rel. Luftfeuchtigkeit einen sd-Wert zwischen 1,5 und 2,5 m aufweisen muss. Der Hintergrund ist, dass bei Einhalten dieses Hydrosafe-Bereiches das Bauteil bzw. die enthaltenen Materialien bei einem geregelten Bauablauf ausreichend geschützt sind. Gleichzeitig bieten diese Bahnen den Bauteilen sehr gute Reserven, da die Austrocknung nicht durch hohe Widerstände behindert wird.

Dampfbremsen mit veränderlichen Diffusionswiderständen müssen entsprechend DIN 68800-2 über einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis verfügen. Dieser in den Landesbauordnungen vorgeschriebene Nachweis für nicht geregelte Bauprodukte kann u.a. in Form einer europäisch technischen Zulassung, ETA, erbracht werden. Der Vorteil der Zulassung ist, dass das Material hinsichtlich der dauerhaften Funktion der Feuchtevariabilität überprüft wird. Die europäische Normung kennt nur Verfahren für Dampfbremsen mit konstanten Diffusionswiderständen. Aktuell sind im Markt parallel zu Produkten mit einer ETA noch die mit einer rein nationalen Zulassung zu finden.

Definition Erklärung Hydrosafe-Wert
Ein sd-Wert zwischen 1,5 und 2,5 m bei 70 % rel. Luftfeucht sorgt nach DIN 68800-2 für sichere Bauteile während der Bauphase und der späteren Nutzung.

Was Holzbauteilen außerdem gut tut!

Sichere Luftdichtheit fängt schon mit der Planung an. Hier bietet es sich an ein Luftdichtheitskonzept zu erstellen, dass dem ausführenden Unternehmer als Handlungsleitfaden dient. Der Vorteil ist, dass die luftdichte Ebene mit allen zu dichtenden Details identifiziert wird. Weiterhin wird durch Material- bzw. Produktvorschläge festgelegt, wie einzelne Details abzudichten sind, um im Ergebnis eine möglichst hochwertige und vor allem dauerhafte Luftdichtheit der Gebäudehülle zu erzielen. Hintergrundwissen und ein Leitfaden findet sich auf der Seite www.luftdicht.info.

Fazit

Schnelles und sicheres Bauen im Winter ist möglich. Es erfordert entsprechende Kenntnis über die verwendeten Baustoffe, Reaktionen der Baustoffe und der Gebäudehülle. Um schnell und schadensfrei bauen zu können sollte dringend ein Mehr an Vordenken, Energie und Geld investiert werden.

  • Technische Trocknung ist für das schnelle Erreichen der Einzugsreife unerlässlich.
  • Eine sach- und fachgerechte Planung, Ausführung und Bauleitung ist der Schlüssel zu einer mangelfreien Konstruktion.
  • Zugelassene, feuchtevariable Dampfbremsen mit Hydrosafewert bieten in der Bau- und Nutzungsphase das höchste Sicherheitspotential.
  • Das BGB fasst es so zusammen, es ist: „die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“
  • Oder, Bauen ist wie Wäschewaschen: Schauen was man vor sich hat, Mittel darauf abstimmen und das Programm am Stück durchziehen, dann erspart man sich verschrumpelte Pullover und rosa Hemden.

Autoren

Michael Förster – Leiter Anwendungstechnik pro clima

Michael Förster, Dipl.-Bauing., leitet die pro clima Anwendungstechnik und ist Mitglied in verschiedenen DIN-Ausschüssen, beispielsweise DIN 4108-7 und DIN 4108-11. www.proclima.de/technik

Christoph Böhringer, Dipl.-Ing. (FH) Holztechnik, ist Anwendungstechniker bei MOLL pro clima, und Referent der pro clima Wissenswerkstatt. www.proclima.de/seminare

Christoph Böhringer Anwerdungstechniker Referent pro clima Wissenswerkstatt

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