(Fachartikel): Aktuelle Anforderungen an Blower-Door-Messungen von Passivhäusern

Blower-Door-Messungen kann jeder ausführen – ohne Ausbildung und ohne Kenntnisnachweis. Der Messdienstleister haftet jedoch mit seiner Unterschrift; manche kennen allerdings nicht alle relevanten Normen. Bei Passivhäusern sind die Anforderungen zudem extrem hoch. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Normen und Vorschriften für Luftdichtheitsmessungen bei Passivhäusern zusammen und erläutert deren Zusammenhänge.

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Allgemeine Empfehlung: Um die Haupteingangstür mitzuprüfen, sollte man das Messystem in eine Terrassen- oder Fenstertür einbauen. Hier: Einbausituation von außen bei einem Passivhausbürogebäude.

Die Rechtslage
Rechtlich gesehen darf jeder Blower-Door-Messungen durchführen. Man kauft sich ein Gerät und zieht los. Allerdings werden die meisten Messungen nach der Energieeinsparverordnung EnEV durchgeführt, die bestimmte Anforderungen stellt. Wie für alles in Deutschland gibt es auch hier eine Norm, nämlich die DIN-EN 13829. Die ist inzwischen zurückgezogen und wurde durch die ISO 9972 ersetzt. Da die EnEV aber ein Gesetz ist und die 13829 dort Erwähnung findet, hat sie zumindest bis zur Novellierung der EnEV Gültigkeit. Mit der ISO 9972 ändert sich übrigens auch nicht besonders viel.

Was ist wo geregelt?
Die EnEV fordert in erster Linie Grenzwerte für den Luftwechsel pro Stunde bei 50 Pascal Druckunterschied bezogen auf das beheizte oder gekühlte Luftvolumen.

  • bei Gebäuden ohne raumlufttechnische Anlagen 3,0 h-1 und
  • bei Gebäuden mit raumlufttechnischen Anlagen 1,5 h-1

Das Passivhausinstitut gibt sich allerdings mit diesen Werten nicht zufrieden und fordert als Höchstwert 0,6 h-1. Achtung: bei einigen Passivhaus-Bilanzierungen werden noch weitaus geringere Werte angesetzt. Dies verbessert die Gesamtbilanz, ist aber von der Ausführung bisweilen anspruchsvoll.

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Ein Bürogebäude mit Passivhausstandard bei Karlsruhe: Mit dem sagenhaften n50- Wert 0.08h-1. Eine Luftwechselrate von 0,6h-1 hätte gereicht, um den Passivhausstandard nachzuweisen.

Die entscheidende Werte: q50 und n50
Für Gebäude, deren Luftvolumen 1500 m3 übersteigt, und die nach DIN V 18599 bilanziert sind, fordert die EnEV einen Wert, der auf die Hüllfläche des Gebäudes (q50-Wert)bezogen ist. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass mit zunehmender Größe des Gebäudes der n50-Wert immer besser wird und sogar undichte Gebäude den Grenzwert einhalten.

Dies gilt für Wohngebäude und Nichtwohngebäude,

  • bei Gebäuden ohne raumlufttechnische Anlagen 4,5 m∙h-1 und
  • bei Gebäuden mit raumlufttechnischen Anlagen 2,5 m∙h-1

Bei diesen Gebäuden zählt nach EnEV ausschließlich der q50-Wert, das Passivhaus-Institut macht bisher keinen Unterschied bei großen Gebäuden. „Der Luftdichtheitstest nach EnEV ist für das bei der Bilanzierung betrachtete Gesamtgebäude durchzuführen“, so schreibt es die KfW in ihrer Liste der technischen FAQ. Schwierig wird es dann, wenn das Gebäude über mehrere Treppenhäuser ohne Raumluftverbund verfügt, bzw. über Laubengänge erschlossen wird. In solchen Fällen können Messgeräte in mehrere Türen eingebaut und messtechnisch zusammengefasst werden. Die Norm lässt aber auch zu, das Gebäude in Teilen zu messen, die KfW schreibt hierzu: „Dabei kann gemäß DIN EN13829 abschnittsweise vorgegangen und als Messergebnis für das Gesamtgebäude ein Mittelwert aus den Einzelmessungen gebildet werden. Ein einzelnes Messergebnis muss dabei nicht dem geforderten Wert entsprechen.“ Nachteil: in der Regel ist das Ergebnis schlechter.

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Passivhauskomplex in Heidelberg. Das Besondere: Das Karree besteht aus mehreren Mehrfamilienhäusern ohne Luftverbund. Aufgrund der energetischen Bilanzierung mussten mehrere Eingänge messtechnisch zusammengefasst werden. So wurden die Blower-Door-Messgeräte parallel in mehrere Eingangstüren eingebaut.

Diskussionen gibt es immer über den Zeitpunkt der Messung
Eigentlich ist das in der Norm klar geregelt: „Die Messung kann erst stattfinden, nachdem die Hülle des zu untersuchenden Gebäudes oder Gebäudeteils fertiggestellt ist. ANMERKUNG: Durch eine vorgezogene Luftdurchlässigkeitsmessung der eigentlichen Luftdichtungsschicht können Undichtigkeiten oft einfacher nachgebessert werden als nach Fertigstellung des Gebäudes.“

Auch die KfW sagt in ihrer Liste der technischen FAQ :„Der Luftdichtheitstest nach EnEV ist für das fertig gestellte Gebäude durchzuführen. Eine zusätzliche Messung im Bauzustand (z.B. Rohbau) ist als Teil der Qualitätssicherung zu empfehlen. Für eine Luftdichtheitsprüfung nach EnEV ist das Verfahren B (Prüfung der Gebäudehülle) nach DIN EN 13829 anzuwenden.“

Verfahren A und Verfahren B
Die DIN-EN 13829 definiert zwei Arten der Messung, abhängig von deren Ziel: Verfahren A (Gebäude im Nutzungszustand) Verfahren B (Gebäudehülle).Entgegen landläufiger Meinung unterscheiden sich beide jedoch nicht im Messzeitpunkt, sondern nur in der Gebäudevorbereitung. Beide finden statt, wenn das Gebäude fertig ist. Eine baubegleitende Messung wird weder von der KfW noch nach EnEV anerkannt.

Der FLiB (Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e.V.) fordert in seinem Beiblatt zur DIN-EN 13829 für Passivhäuser das Verfahren A zur Überprüfung der Grenzwerte nach DIN 4108-7 und DIN V 18599-2. Allerdings werden die meisten Messungen zur Einhaltung der Energieeinsparverordnung durchgeführt, die explizit das Verfahren B fordert.

Die Unterschiede in der Gebäudevorbereitung beschränken sich auf die Frage, ob eine nach außen gehende Dunstabzugshaube, ein Briefkastenschlitz oder eine herkömmliche Katzenklappe für die Messung abgeklebt werden darf oder nicht – beim Passivhaus eher von geringer Bedeutung, da es diese bei fachkundiger Planung nicht geben sollte. Der FLiB hat in seinem Beiblatt für beide Verfahren eine Checkliste zur Gebäudevorbereitung veröffentlicht, an der sich Blowerdoor-Messteams orientieren können.

Messablauf
Die Norm schreibt eine „vorausgehende Prüfung ungefähr bei der höchsten für die Messung vorgesehenen Druckdifferenz vor. Dabei ist die gesamte Gebäudehülle auf große Leckagen und fehlerhafte provisorische Abdichtungen zu untersuchen“. Dies gilt gemeinhin als Leckagesuche. Sollte der Messdienstleister also eine Messung nach DIN-EN 13829 anbieten und die Leckagesuche zusätzlich in seiner Preisliste ausweisen, so ist das nicht korrekt.

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Einfamilienhaus mit Passivstandard in der Rhein-Neckar-Region. Eine optimierte Kubatur gehört dazu.

2 Messreihen und kalibierte Geräte sind Pflicht bei Passivhäuser
Die Messreihe besteht dann aus folgenden Punkten:

  • Ermittlung der natürlichen Druckdifferenz vor und nach der Messreihe. Diese darf 5 Pa nicht überschreiten, sonst ist die Messung ungültig

  • mindestens 5 Messpunkte

  • Abstand der Messpunkte voneinander nicht mehr als 10 Pa

  • größte Druckdifferenz mind. 50 Pa

  • kleinste Druckdifferenz 10 Pa oder 5x natürliche Druckdifferenz

Zur Erfüllung der Norm ist eine Messreihe bei Unter- oder Überdruck ausreichend.Das Passivhaus-Institut schreibt allerdings beide Messreihen vor. Zur Erfüllung der Anforderungen ist der Mittelwert entscheidend. Auch die Anforderungen an die Genauigkeit der Messgeräte ist geregelt. So sind diese regelmäßig nach Norm zu kalibrieren.

Die Genauigkeit der hier beschriebenen Messung ist stark von den verwendeten Messgeräten und von den Wetterbedingungen abhängig, unter denen die Daten gewonnen werden.“ So steht`s in der Norm DIN-EN 13829 . Bedingt durch die große Dichtheit von Passivhäusern wird die Messung bei Wind schwierig bis unmöglich. Auch eine große Temperaturdifferenz zwischen innen und außen ist vor allem bei hohen Gebäuden eine Herausforderung für den Messenden.

Prüfbericht
Die meisten Auftraggeber interessiert beim Prüfbericht nur die erste Seite: dort steht der n50-Wert und ob die Anforderungen erfüllt sind. Ein Blowerdoor-Prüfbericht besteht aber meist aus 5 oder 6 Seiten. Näheres hinschauen lohnt sich. Unter anderem muss er enthalten:

  • Angaben, um das Objekt zu identifizieren

  • Gemessene Teile des Gebäudes

  • Erforderliche Gebäudemaße

  • Zustand der Öffnungen in der Gebäudehülle

  • Messdaten

  • Leckagekurve

  • n50-Wert

  • Tabelle der erzeugten Druckdifferenzen und der zugehörigen Volumenströme

  • Prüfdatum

All das ist in der 13829 definiert, die sich, obwohl offiziell zurückgezogen, nach wie vor im Internet herunterladen lässt.

Fazit: Qualität nur durch Wissen möglich

Um die erhöhten Anforderungen bei Passivhäusern fachgerecht ausführen zu können und realistische Messergebnisse zu ermitteln, sind einige Kenntnisse nötig. Wer Blower-Door-Messungen für Passivhäuser beauftragt, sollte daher auf die Erfahrung und Fachkenntnisse des Messdienstleisters achten.

Quellen und Links:

Über den Autor

holger-merkelHolger Merkel von bionic3 GmbH führt seit 2006 Luftdichtheitsmessungen mit Blower-Door Messgeräten durch. Er gibt auch sein Wissen u.a. als Referent weiter. Unter anderem für den Gebäudeenergieberater Handwerker Ingenieure GIH e.V und für die pro clima Wissenswerkstatt.

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