Achtsamkeit mitzubringen. Wenn man sich der Auswirkungen von Planung und Ausführung bewusst ist, dann ist tatsächlich alles einfach und klar. Beim Flachdach stellen sich mehrere Fragen: In welchem Rahmen bewege ich mich mit meiner Konstruktion? Was macht eine Konstruktion sicher? Welche Konstruktionen bergen Risiken in sich? Wie geht man mit Risiken beim Feuchtemanagement um?
Neue Regeln in DIN 68800-2 oder 100 Meter versus Feuchtevariabilität
Eine Bemessung des Bauteils ist nicht in jedem Fall erforderlich. Bis zur Veröffentlichung der aktuellen Ausgabe im November 2014 fand man in DIN 4108-3 auch für unbelüftete Flachdächer mit äußerer Abdichtung nachweisfreie Konstruktionen.Nachweisfrei galten bisher unbelüftete Konstruktionen wenn sie mit einer inneren diffusionshemmenden Schicht mit sd-Wert ≥ 100 m ausgeführt wurden. Die Neufassung der DIN 4108-3, 2014-11, kennt diese Definition nicht mehr. Die übliche unbelüftete Ausführung mit Vollsparrendämmung ohne Hinterlüftung wird dort zur nachweispflichtigen Konstruktion.
Welche Konstruktionen gelten heute als nachweisfrei?
Neu werden unbelüftete Konstruktionen nachweisfrei in DIN 68800-2, 2012-02, beim konstruktiven Holzschutz definiert. Was gemäß DIN 4108-3 mit der früheren Definition
»100 m« nachweisfrei war, hat in der Bauwirklichkeit zu Bauschäden geführt. Dies haben sich die »Hölzernen« schon seit längerem zu Herzen genommen und erforscht. Schon 2008 wurde durch den Informationsdienst Holz mit der Broschüre zu Flachdächern in Holzbauweise darüber informiert, dass die 100 m nicht mehr Stand der Technik waren. Zahlreiche Forschungsvorhaben sind im Bereich Holzbau und Flachdach durchgeführt worden und haben neue Erkenntnisse erbracht. In unterschiedlichsten Veranstaltungen und Publikationen wurden die Ergebnisse diskutiert und veröffentlicht. Vieles aus der Forschung und Gutachterpraxis ist
dann in die Novellierung der Holzschutznorm eingeflossen. »Nachweisfreie« Konstruktionen für die unbelüfteten Flachdächer kennt heute nur die DIN 68800-2. Der Holzschutz kennt jedoch nur den Bezug zum Material und dessen Ausgleichsfeuchte
im Umgebungsmilieu. Mit der Ausgleichsfeuchte wird das Material in die entsprechende Gebrauchsklasse (früher Gefährdungsklasse) eingeordnet. In diesem Sinne sind Bauteile nachweisfrei, deren Hölzer in die GK0 (Gebrauchsklasse 0 – kein chemischer
Holzschutz erforderlich) eingeordnet werden können. Im Hinblick auf die Bauteilsicherheit stellt DIN 68800-2 sogar noch höhere Anforderungen als DIN 4108-3.
Bauteilsicherheit wird in DIN 4108-3 dadurch festgelegt, dass das anfallende Tauwasser wieder komplett austrocknen muss und Grenzwerte, a) an der Tauwasserebene und b) der Feuchtezunahme der Baustoffe eingehalten werden. Es gibt keine Reserve bei unplanmäßigen Feuchteeinträgen, es genügt ein komplettes Verdunsten der rechnerischen Feuchte. Im Zweifelsfall können also Tauwasser- und Verdunstungsmenge identisch sein und die Konstruktion wäre nach DIN 4108-3 in Ordnung. Die Frage nach der Baupraxis und der Bauteilsicherheit bleibt offen.

Vergleich der ehemaligen nachweisfreien Konstruktion nach DIN 4108-3, 2001-07, mit der neuen »nachweisfreien« nach DIN 6880-2, 2012-02. Vergleich der Feuchtigkeit innerhalb der oberen Beplankung, Massivholzschalung, bei Einsatz einer Dampfbremse mit konstantem sd-Wert 100 m und feuchtevariabler Dampfbremse (fvDB) mit AbZ gemäß DIN 68800-2
Bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweis
Feuchtevariable, diffusionshemmende Schichten benötigen gemäß 68800-2, 7.5, über einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis. Der Nachweis des Bauteils wird dann, bei Verwendung von feuchtevaria blen Dampfbremsen, mit numerischer Simulation durchgeführt. Nach Norm müssen diese über einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis verfügen. Diese Anforderung können nurwenige Bahnen am Markt erfüllen. Sind dann unbelüftete Konstruktionen gar nicht mehr machbar? Im Vergleich zur belüfteten Konstruktionen, deren Wohl und Wehe von der vollumfänglich funktionierenden Belüftung abhängig ist, sind gerade unbelüftete Konstruktionen mit überwachten, feuchtevariablen Dampfbremsbahnen als die sichersten anzusehen. Der Feuchteschutz muss wie bei allen Konstruktionen in Augenschein genommen werden. Um die Materialeigenschaften und die Leistungsfähigkeit von feuchtevariablen Dampfbremsen berücksichtigen zu können, wird das Bauteil mittels numerischer Simulationsverfahren, wie z.B. WuFi oder Delfin, realitätsnah berechnet.
Verschattungen und deren Auswirkungen

Verschattung durch Bausituation führt zu einer Addition der negativen Einflüsse: tagsüber reduzierte Erwärmung durch Schattenwurf, nachts keine Reduzierung der nächtlichen Abstrahlung
Um der Rücktrocknung wenig Widerstand entgegen zu stellen ist in der Norm der sd-Wert der raumseitigen Bekleidungen auf 0,5 m begrenzt. Denn auch hier gilt der natürliche Grundsatz: je weniger Widerstand, desto schneller die Bewegung.Ein weiterer Punkt für die Rücktrocknung ist der zur Verfügung stehende Antrieb. Der kräftigste Diffusionsstrom entsteht bei ungehindertem Energieeintrag durch direkte Besonnung der Außenoberfläche des Bauteils. Für nachweisfreie Konstruktionen muss gemäß DIN 68800-2 die größte Sicherheit vorhanden sein, daher werden von derNorm nur unverschattete Konstruktionen als nachweisfrei eingestuft. Der Schatten raubt Energie, die für die Umkehr diffusion benötigt wird. Bei der Verschattung gibt es verschiedene Arten, welche in verschiedener Weise Auswirkungen auf das darunter liegende Bauteil haben. Man kann drei verschiedene Schattenarten anhand ihrer Effekte unterscheiden:
Wand-Effekt
Eine senkrechte Fläche verhindert den Einfall von kurzwelligen Sonnenstrahlen auf das nach außen hin diffusionsdichte Bauteil. Kurzwellige Strahlen sind, wie bei einem Mikrowellenherd, für das Aufheizen maßgeblich. Die Strahlung wird aber von der schattenbildenden Fläche entweder absorbiert oder reflektiert. Die Bauteiloberfläche kann sich nur durch die Lufttemperatur und die Globalstrahlung erwärmen. In der Nacht versuchen Bauteiloberflächen einen Ausgleich ihrer Oberflächentemperaturen mit dem Gegenüber zu erreichen, dem sehr kalten Weltall. Es entsteht eine langwellige Abstrahlung welche das Bauteil abkühlt. Bei der Verschattung »Wand-Effekt« addieren sich Tag und Nacht mit ihren negativen Einflüssen auf die Konstruktion. Tagsüber wird die direkte solare Einstrahlung durch den Schattenwurf komplett unterbunden, und nachts wird die langwellige Abstrahlung nicht verhindert. Schlechte Erwärmung plus optimale Auskühlung erzeugt das höchste Bauschadensrisiko für das Bauteil.
Sonnenschirm-Effekt
Eine schräg stehende Fläche erzeugt Schatten auf der Bauteiloberfläche. Je nach Neigung und Abstand der schattenerzeugenden Fläche zum Bauteil wird die direkte Strahlung komplett unterbunden oder zu mindest verringert. Durch die Schrägstellung können während des Tages schon, im Hinblick auf die Bauteilerwärmung, positive Effekte auftreten, wie z. B. rückseitige Wärmestrahlung und Erhöhung des Einflusses der indirekten Strahlung. Positive Effekte sind ggf. auch in der nächtlichen Situation zu verzeichnen. Deren Größe und Einfluss ist wie tagsüber abhängig von Neigung und Abstand der schattenerzeugenden Fläche. Es kann sich ein Wechselspiel zwischen positiven und negativen Einflüssen einstellen, welche unter Umständen ausgleichend wirken.
Carport-Effekt
Umgang mit äußeren Einflüssen
Zum heutigen Zeitpunkt bestehen vielfältige Möglichkeiten mit numerischer Simulation sichere Holzbauteile zu planen. Verfahren und Daten stehen zur Verfügung. Bei entsprechender Achtsamkeit und Aufmerksamkeit sind Flachdächer heute bauschadensfrei und sicher möglich. Bei gängigen und bei anspruchsvollen Situationen haben sich Konstruktionen mit feuchtevariablen Dampfbremsen bewährt.
Der Autor
Christoph Böhringer hat Holztechnik an der FH Rosenheim studiert. Er ist Anwendungstechniker bei pro clima und Referent der pro clima Wissenswerkstatt Känguru. Seminare und Termine unter www.proclima.de/seminare.
- Telefon: 0 62 02 – 27 82.45
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