Die frühere, einfache Denk- und Arbeitsweise: Wenn aussen dicht, dann
innen dicht, ist heute nicht mehr gültig. Heute sind wir konfrontiert mit anderen Regelungen, welche sich erst noch einprägen müssen, damit alles wieder einfach, greifbar und umsetzbar wird. Bis dahin gilt es die entsprechende Aufmerksamkeit und
Achtsamkeit mitzubringen. Wenn man sich der Auswirkungen von Planung und Ausführung bewusst ist, dann ist tatsächlich alles einfach und klar. Beim Flachdach stellen sich mehrere Fragen: In welchem Rahmen bewege ich mich mit meiner Konstruktion? Was macht eine Konstruktion sicher? Welche Konstruktionen bergen Risiken in sich? Wie geht man mit Risiken beim Feuchtemanagement um?
Neue Regeln in DIN 68800-2 oder 100 Meter versus Feuchtevariabilität
Die zulässigen Feuchtegehalte für Holz und Holzwerkstoffe werden in unterschiedlichen Normen beschrieben. Für die wärme- und feuchtetechnische Bemessung eines Bauteils wird in der Regel die Normenreihe DIN 4108 – Wärme-schutz und Energieeinsparung
in Gebäuden – heran gezogen. Dort erfolgt die Berechnung von Wärme- und Feuchteschutz nach dem Glaserverfahren. Die Grenzwerte für die Feuchte sind dort für Holz (≤ 20%) und Holzwerkstoffe (je nach Nutzungsklasse, ≤ 18%) geregelt.
Eine Bemessung des Bauteils ist nicht in jedem Fall erforderlich. Bis zur Veröffentlichung der aktuellen Ausgabe im November 2014 fand man in DIN 4108-3 auch für unbelüftete Flachdächer mit äußerer Abdichtung nachweisfreie Konstruktionen.Nachweisfrei galten bisher unbelüftete Konstruktionen wenn sie mit einer inneren diffusionshemmenden Schicht mit sd-Wert ≥ 100 m ausgeführt wurden. Die Neufassung der DIN 4108-3, 2014-11, kennt diese Definition nicht mehr. Die übliche unbelüftete Ausführung mit Vollsparrendämmung ohne Hinterlüftung wird dort zur nachweispflichtigen Konstruktion.
Welche Konstruktionen gelten heute als nachweisfrei?
Neu werden unbelüftete Konstruktionen nachweisfrei in DIN 68800-2, 2012-02, beim konstruktiven Holzschutz definiert. Was gemäß DIN 4108-3 mit der früheren Definition »100 m« nachweisfrei war, hat in der Bauwirklichkeit zu Bauschäden geführt. Dies haben sich die »Hölzernen« schon seit längerem zu Herzen genommen und erforscht. Schon 2008 wurde durch den Informationsdienst Holz mit der Broschüre zu Flachdächern in Holzbauweise darüber informiert, dass die 100 m nicht mehr Stand der Technik waren. Zahlreiche Forschungsvorhaben sind im Bereich Holzbau und Flachdach durchgeführt worden und haben neue Erkenntnisse erbracht. In unterschiedlichsten Veranstaltungen und Publikationen wurden die Ergebnisse diskutiert und veröffentlicht. Vieles aus der Forschung und Gutachterpraxis ist dann in die Novellierung der Holzschutznorm eingeflossen. »Nachweisfreie« Konstruktionen für die unbelüfteten Flachdächer kennt heute nur die DIN 68800-2. Der Holzschutz kennt jedoch nur den Bezug zum Material und dessen Ausgleichsfeuchte im Umgebungsmilieu. Mit der Ausgleichsfeuchte wird das Material in die entsprechende Gebrauchsklasse (früher Gefährdungsklasse) eingeordnet. In diesem Sinne sind Bauteile nachweisfrei, deren Hölzer in die GK0 (Gebrauchsklasse 0 – kein chemischer Holzschutz erforderlich) eingeordnet werden können. Im Hinblick auf die Bauteilsicherheit stellt DIN 68800-2 sogar noch höhere Anforderungen als DIN 4108-3.
Bauteilsicherheit wird in DIN 4108-3 dadurch festgelegt, dass das anfallende Tauwasser wieder komplett austrocknen muss und Grenzwerte, a) an der Tauwasserebene und b) der Feuchtezunahme der Baustoffe eingehalten werden. Es gibt keine Reserve bei unplanmäßigen Feuchteeinträgen, es genügt ein komplettes Verdunsten der rechnerischen Feuchte. Im Zweifelsfall können also Tauwasser- und Verdunstungsmenge identisch sein und die Konstruktion wäre nach DIN 4108-3 in Ordnung. Die Frage nach der Baupraxis und der Bauteilsicherheit bleibt offen.
Gemäß der Holzschutznorm DIN 68800-2 sind Trocknungsreserven einzuhalten. Beim Nachweis mit dem Glaserverfahren sind dies bei Dächern 250 g/m2a und bei Decken
und Wänden 100 g/m2a. Hiermit werden restliche Undichtheiten in der Luftdichtheitsebene und damit unplanmäßige Feuchtigkeitseinträge berücksichtigt. Wird die Konstruktion mit numerischer Simulation nachgewiesen, wird bei der Simulation mit der geplanten Luftdichtheitsklasse der Gebäudehülle gerechnet. Eine Überprüfung der Ausführungsqualität der Luftdichtheitsebene mit einer Differenzdruckmessung, z.B. Blower Door, ist bei beiden Planungsansätzen empfehlenswert. Nachweisfrei und als Gk0 klassifiziert sind nach DIN 68800-2 Hölzer der Flachdachkonstruktionen unter verschiedenen Randbedingungen zur Planung und Ausführung. Auf Grund früherer Bauschäden durch die »100 m -Bahnen« wurden die Grenzen für nachweisfreie Konstruktionen sehr eng gezogen.
Bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweis
Feuchtevariable, diffusionshemmende Schichten benötigen gemäß 68800-2, 7.5, über einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis. Der Nachweis des Bauteils wird dann, bei Verwendung von feuchtevaria blen Dampfbremsen, mit numerischer Simulation durchgeführt. Nach Norm müssen diese über einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis verfügen. Diese Anforderung können nurwenige Bahnen am Markt erfüllen. Sind dann unbelüftete Konstruktionen gar nicht mehr machbar? Im Vergleich zur belüfteten Konstruktionen, deren Wohl und Wehe von der vollumfänglich funktionierenden Belüftung abhängig ist, sind gerade unbelüftete Konstruktionen mit überwachten, feuchtevariablen Dampfbremsbahnen als die sichersten anzusehen. Der Feuchteschutz muss wie bei allen Konstruktionen in Augenschein genommen werden. Um die Materialeigenschaften und die Leistungsfähigkeit von feuchtevariablen Dampfbremsen berücksichtigen zu können, wird das Bauteil mittels numerischer Simulationsverfahren, wie z.B. WuFi oder Delfin, realitätsnah berechnet.
Verschattungen und deren Auswirkungen
Warum sind nur unverschattete Konstruktionen nachweisfrei? Was passiert im Winter und im Sommer? Welchen Einfluss hat Schattenwurf auf die Konstruktion?
In der Natur wird immer ein Gleichgewichtszustand angestrebt. Sie versucht Ungleichgewichte zu bereinigen und auszugleichen. Dies ist auch der Antrieb für alle inneren Vorgänge in einem Bauteil, wie zum Beispiel der Diffusion. Ziel ist ein ausgeglichener Zustand des Bauteils, ein Gleichgewicht der Kräfte. Um diesen Ausgleich zu erreichen, entsteht innerhalb eines Bauteils ein Diffusionsstrom, welcher
von der energiereichen zu energiearmen Seite strebt. Daher bewegt sich sowohl der Wärmestrom als auch der Feuchtestrom von der Warmseite zur Kaltseite der Konstruktion und sucht den Ausgleich – das Gleichgewicht. Die verschiedenen Materialschichten geben innerhalb der Konstruktion Wärme und Feuchte im ständigen
Wechseln weiter. Auf der Kaltseite angelangt, wird nun der Ausgleich/Entfeuchtung mit dem umgebenden Raum gesucht. Bei diffusionsoffenen Konstruktionen mit feuchtevariabler Dampfbremse stehen beide Bauteiloberflächen (innen und außen) für den Ausgleich/Entfeuchtung im Sommer zur Verfügung. Nach aussen hin diffusionshemmende oder -dichte Konstruktionen steht nur eine Bauteiloberfläche für die Austrocknung zur Verfügung: die innere. Daher muss bei diesen Konstruktionen diese eine verbleibende Bauteiloberfläche optimal genutzt werden können.
Die dampfdiffusionshemmende Schicht, welche im Winter erhöhten Feuchteeintrag in die Konstruktion verhindert, steht nun der Entfeuchtung im Weg. Im Bauteil befindliche
Feuchte staut sich an Dampfbremsen mit höherem und konstantem sd-Wert und kann als sogenanntes Sommerkondensat sichtbar werden. Eine feuchtevariable Dampfbremse senkt jedoch in diesem Fall ihren sd-Wert und öffnet der Feuchtigkeit den Weg aus dem Bauteil heraus.
Um der Rücktrocknung wenig Widerstand entgegen zu stellen ist in der Norm der sd-Wert der raumseitigen Bekleidungen auf 0,5 m begrenzt. Denn auch hier gilt der natürliche Grundsatz: je weniger Widerstand, desto schneller die Bewegung.Ein weiterer Punkt für die Rücktrocknung ist der zur Verfügung stehende Antrieb. Der kräftigste Diffusionsstrom entsteht bei ungehindertem Energieeintrag durch direkte Besonnung der Außenoberfläche des Bauteils. Für nachweisfreie Konstruktionen muss gemäß DIN 68800-2 die größte Sicherheit vorhanden sein, daher werden von derNorm nur unverschattete Konstruktionen als nachweisfrei eingestuft. Der Schatten raubt Energie, die für die Umkehr diffusion benötigt wird. Bei der Verschattung gibt es verschiedene Arten, welche in verschiedener Weise Auswirkungen auf das darunter liegende Bauteil haben. Man kann drei verschiedene Schattenarten anhand ihrer Effekte unterscheiden:
Wand-Effekt
Eine senkrechte Fläche verhindert den Einfall von kurzwelligen Sonnenstrahlen auf das nach außen hin diffusionsdichte Bauteil. Kurzwellige Strahlen sind, wie bei einem Mikrowellenherd, für das Aufheizen maßgeblich. Die Strahlung wird aber von der schattenbildenden Fläche entweder absorbiert oder reflektiert. Die Bauteiloberfläche kann sich nur durch die Lufttemperatur und die Globalstrahlung erwärmen. In der Nacht versuchen Bauteiloberflächen einen Ausgleich ihrer Oberflächentemperaturen mit dem Gegenüber zu erreichen, dem sehr kalten Weltall. Es entsteht eine langwellige Abstrahlung welche das Bauteil abkühlt. Bei der Verschattung »Wand-Effekt« addieren sich Tag und Nacht mit ihren negativen Einflüssen auf die Konstruktion. Tagsüber wird die direkte solare Einstrahlung durch den Schattenwurf komplett unterbunden, und nachts wird die langwellige Abstrahlung nicht verhindert. Schlechte Erwärmung plus optimale Auskühlung erzeugt das höchste Bauschadensrisiko für das Bauteil.
Sonnenschirm-Effekt
Eine schräg stehende Fläche erzeugt Schatten auf der Bauteiloberfläche. Je nach Neigung und Abstand der schattenerzeugenden Fläche zum Bauteil wird die direkte Strahlung komplett unterbunden oder zu mindest verringert. Durch die Schrägstellung können während des Tages schon, im Hinblick auf die Bauteilerwärmung, positive Effekte auftreten, wie z. B. rückseitige Wärmestrahlung und Erhöhung des Einflusses der indirekten Strahlung. Positive Effekte sind ggf. auch in der nächtlichen Situation zu verzeichnen. Deren Größe und Einfluss ist wie tagsüber abhängig von Neigung und Abstand der schattenerzeugenden Fläche. Es kann sich ein Wechselspiel zwischen positiven und negativen Einflüssen einstellen, welche unter Umständen ausgleichend wirken.
Carport-Effekt
Erzeugt eine dem Dach parallele Fläche den Schatten ist der direkte, solare Energieeintrag reduziert. In Abhängigkeit der Art und des Abstandes der parallelen Fläche trifft nur bedingt bis keine direkte Strahlung auf die Bauteiloberfläche auf. Durch die Aufheizung des Deckbelags kann sich jedoch eine Wärmestrahlung auf das darunter liegende Bauteil einstellen. In der Nacht hat eine dachparallele Fläche Einfluss auf die langwellige Abstrahlung. Die nächtliche Abkühlung wird reduziert. Das Dach erwärmt sich damit nicht so stark wie eine unverschattete Konstruktion, kühlt jedoch im Gegenzug in der Nacht nicht so stark ab. Es können ausgeglichenere Verhältnisse entstehen.
Deckschichten wie Kies, Steine, Substrate bei Dachbegrünung oder auch Terrassenbeläge schränken ebenso die Sonneneinstrahlung ein, andererseits verändern sie ebenso das Auskühlverhalten während der nächtlichen Abstrahlungsphase. Daher müssen Bauteile mit Deckschichten immer mit einem Nachweis überprüft und bestätigt werden. Was ist zu tun wenn die solare Einstrahlung vermindert ist? Wieder kommt das natürliche Verhalten des Kräfteausgleichs ins Spiel: Das Streben nach Gleichgewicht. Das Holz und die Holzwerkstoffe stellen sich bei entsprechendem Umgebungsklima auf eine stoffspezifische Ausgleichsfeuchte ein, abhängig von der jeweiligen relativen Luftfeuchte – also immer im Bezug zwischen Temperatur und absoluter Feuchte. Je wärmer die Bauteilschicht, desto niedriger ihre Ausgleichsfeuchte. Durch diesen physikalischen Effekt kann man in einem gewissen Rahmen Lösungen für Flachdachkonstruktionen erarbeiten. Im Regelfall wird demzufolge auf der Oberseite der oberen Beplankung eine zusätzlich Dämmebene aufgelegt welche dann zur Erhöhung der Schichttemperatur führt und damit zu geringeren Ausgleichsfeuchten, bzw. Senkung der relativen Luftfeuchte. Falls eine Überdämmung zum Einsatz kommt, wird im Allgemeinen auch eine zusätzliche diffusionshemmende Schicht mit sd-Wert ≥ 100 m empfohlen. Durch diese Maßnahme werden zwei Effekte erreicht:
1) Der Diffusionsstrom wird unterbrochen. Diffusion (und auch Konvektion) findet nur bis zu dieser Schicht hin statt. Durch diese Unterbrechung kann sich in der Überdämmung keine Feuchte aufschaukeln. Ein Aufschaukeln kann erfolgen bei schaumförmigen Dämmstoffen, welche diffusionsträge reagieren oder bei Beplankungen mit einem höheren sd-Wert.
2) Der »Rückweg« der Feuchte zum Raum hin ist so kurz wie möglich. Je größer der Anteil der außenseitigen Masse ist, desto träger ist die Reaktion des Bauteils.
Ziel ist immer, den Rückweg der Feuchte kurz zu halten, sowohl in der Betrachtung der sd-Werte als auch der tatsächlichen Bauteildicke in Metern. Je kürzer die Strecke, desto geringer der Zeitaufwand /-bedarf zur Rücktrocknung, umso schneller wird ein
Ausgleich erreicht.
Umgang mit äußeren Einflüssen
Die energetische Nutzung der solaren Einstrahlung steht hier meist im Vordergrund: Solarthermie und Photovoltaik (je nach Art teils Carport-Effekt). Aber auch: Baumbestand (teils Wand /teils Sonnenschirm-Effekt), Nachbargebäude (Wand-Effekt) und die geografische Lage bestimmen den Grad der Verschattung (Wand-Effekt).
Man kann dann bei Simulationsrechnungen entweder von einer Vollverschattung, Teilverschattung oder einem Wanderschatten ausgehen und diese dann in Rechnung stellen. Zur Festlegung der Intensität und Dauer der Beschattung wird durch den
Bauphysiker im Regelfall dann eine Verschattungsanalyse durchgeführt,
welche die entsprechenden Parameter für die Simulation ermittelt. Verein-
facht kann jedoch auch von einer Vollverschattung ausgegangen und
auf dieser Basis eine auf der sicheren Seite liegende Lösung erarbeitet
werden.
Zum heutigen Zeitpunkt bestehen vielfältige Möglichkeiten mit numerischer Simulation sichere Holzbauteile zu planen. Verfahren und Daten stehen zur Verfügung. Bei entsprechender Achtsamkeit und Aufmerksamkeit sind Flachdächer heute bauschadensfrei und sicher möglich. Bei gängigen und bei anspruchsvollen Situationen haben sich Konstruktionen mit feuchtevariablen Dampfbremsen bewährt.
Der Autor
Christoph Böhringer hat Holztechnik an der FH Rosenheim studiert. Er ist Anwendungstechniker bei pro clima und Referent der pro clima Wissenswerkstatt Känguru. Seminare und Termine unter www.proclima.de/seminare.
Christoph Böhringer und seine Kollegen der Anwendungstechnik sind erreichbar unter: