Projektbericht

Die Fuge: Von der Schnittstelle zur Nahtstelle

Projekt: Sanierung Doppelhaushälfte zum Passivhaus

Lässt sich der Fensteranschluss analog zu Dach und Wand realisieren?

Auf die Abwehr von Wasser als Bauschadensfaktor Nr. 1 müssen Planer und Handwerker generell großes Augenmerk legen. Manch einer hat schmerzhaft erfahren müssen, dass die Mangel- und Bauschadensfreiheit an der Dichtheit der Gebäudehülle hängt. In der Praxis haben sich bei allen Bauteilen zwei Ebenen als sinnvoller Schutz erwiesen. Daher kann es sich auch beim Fensteranschluss lohnen, über eine mehrstufige Abdichtung nachzudenken. Gerade bei Sanierungen wird es kompliziert, da es oft keine Standardlösungen gibt. Mit genauem Blick auf die Gegebenheiten und detaillierter Planung lässt sich solch ein Bauvorhaben erfolgreich realisieren.

Die 1964 im Südharz erbaute Doppelhaushälfte vom DDR Eigenheim-Typ 58 D51 Mz sollte energetisch deutlich aufgewertet werden und gleichzeitig ihren ursprünglichen Charakter behalten. Damit standen für den Bauherrn Energieeffizienz und maximaler Schutz vor Feuchte mit gut geplanten Konstruktionsdetails ganz oben auf der Agenda. Für den Feuchteschutz muss eine Konstruktion sowohl von innen als auch von außen betrachtet werden: Schlagregenbelastung von außen sowie Diffusions- und Konvektionsströme durch die Konstruktion (überwiegend von innen). Die Sanierung packte der Bauherr selbst an. Als Holzbauingenieur mit eigenem Fensterbauunternehmen brachte er Fachwissen und handwerkliche Fähigkeiten für viele Bereiche der Maßnahme mit.

Netzwerke nutzen und gut vorausplanen

Ablaufendes Regenwasser auf der Unterdeckung: In der Bauphase muss der Witterungsschutz gegeben sein, um das Eindringen von Feuchte in die gedämmte Konstruktion zu verhindern. Die hier verwendete Unterdeckbahn erfüllt die Anforderungen des ZVDH an die Behelfsdeckung.

Wenn man sich an eine solche Sanierung heranwagt, ist es zwingend erforderlich, für offene Fragestellungen kompetente Partner an der Seite zu haben. Dies konnte der Bauherr hier mit Industrieunternehmen und Fachleuten vor Ort lösen. Durch Vordenken lässt sich die Gefahr von Fehlern und Bauschäden minimieren. Dies gilt in gleicher Weise für eine möglichst umfassende Planung. Die Personalunion von Bauherr, Planer und Ausführendem machte einen Teil der Abstimmung zwischen den Beteiligten einfacher. Viele Ideen zu Konstruktion sowie Detailpunkte wurden im Gespräch oder im Datenaustausch mit den Partnern diskutiert und zu einer sicheren Lösung umgesetzt.

Charakter bewahren – zeitgemäß wohnen

Gedacht war zunächst eine sanfte Sanierung mit dem Erhalt eines Großteils des Bestandes. Wie so oft bei Sanierungen trat jedoch auch hier beim Öffnen der Konstruktion die ein oder andere Fragestellung auf. Es kam der Punkt, an dem der Bauherr die Entscheidung fällte, zu einer Grundsanierung überzugehen und die komplette Gebäudehülle mit Dach und Wand sowie die oberste Geschossdecke zu erneuern – angetrieben von der Idee, das sanierte Gebäude nahe dem Passivhausniveau zu ertüchtigen. Gewählt wurde für den Neuaufbau des Daches eine gewichtssparende und hoch wärmegedämmte Holzbaukonstruktion, die auf das alte Mauerwerk des Erdgeschosses aufgesetzt werden konnte. Die Schnittstellen zwischen Altbau und der neuen Konstruktion wurden nicht nur unter den Aspekten Statik, Baurecht und Schall- mit Brandschutz betrachtet, sondern auch gerade in Hinblick auf den Schutz vor Feuchte.

Herstellen sämtlicher Bauteilübergänge. Die Dampfbremse aus dem Dach wird mit der Holzwerkstoffplatte mit Klebeband verbunden. Das Fensteranschlussband verbindet Fenster und Wandbildner. Leerrohre für Installationen werden mit Manschetten an der Luftdichtebene angeschlossen.

Auf Dauer sicher gegen Feuchte

Einfache und sichere Aufbauten lagen im Fokus. Gemeinsam mit den Ingenieuren von pro clima fanden sich robuste Konstruktionen, die sich sehr gut realisieren ließen. Letztendlich empfahl es sich, im Dach mit einer feuchtevariablen Dampfbremse und einer diffusionsoffenen Unterdeckbahn zu arbeiten und damit eine Konstruktion zu schaffen, welche die höchsten Trocknungsreserven und damit die höchste Bauteilsicherheit bietet.

Anschlussdetails nicht vernachlässigen

Im Wandbereich wurde aufgrund der statischen Erfordernisse die innere Beplankung mit einer OSB-Platte ausgeführt. Diese Holzwerkstoffplatte dient dort als statische Aussteifung, Luftdichtebene und Dampfbremse. Durch diese Mehrfachnutzung musste die OSB-Platte einerseits lastabtragend befestigt und sämtliche Plattenstöße abgeklebt werden, andererseits im Übergang zu den weiteren Bauteilen wie dem Dach, dem alten Mauerwerk und der Decke luftdicht angeschlossen werden. Nach außen hin wurde die Wandkonstruktion mit einer diffusionsoffenen Fassadenbahn versehen. Damit sind beide Konstruktionen – Dach und Wand – tauwasserfrei und dauerhaft trocken.

Das neue Dachgeschoss in Holzbauweise auf dem noch zu sanierenden Erdgeschoss. Die hinterlüfteten Konstruktionen der Gaubenwand und des Daches bauen auf das Prinzip zweier Schutzebenen. Bekleidung bzw. Deckung bilden die erste Schutzebene. Fassadenbahn und Unterdeckbahn bilden darunter die zweite wasserführende Ebene.

Die beiden Außendichtungsbahnen schützen zudem als zweite wasserführende Ebene die Tragkonstruktion und die Dämmung vor Befeuchtung von außen. Die Dachdeckung und die Fassadenbekleidung sind jeweils die erste schützende Ebene. Diese Systematik – erste und zweite Schutzebene – wurde dann im Weiteren bei den Anschlüssen der Fenster fortgesetzt.

Sensibles Detail: Fensterfuge

Gerade die Fenster auf der Wetterseite sind einer hohen Schlagregenbelastung mit großen Windkräften ausgesetzt. Deshalb entschied sich der Bauherr auch für eine Lösung mit Anschlussklebebändern. Wichtig war hier, auf ein ift-geprüftes System zurückgreifen zu können, das in einer realen Bauteilprüfung seine Leistungsfähigkeit bewiesen hat.

Das vorbereitete Fenster wird in den Baukörper eingesetzt. Im Holzbau ist dann die Fensterbefestigung auf einfache Weise mit direkter Verschraubung möglich. Die Klebebänder verbinden die Dichtebenen sicher miteinander.

Die pro clima Klebebänder für Anschlüsse innen und außen inklusive dem entsprechenden Klebeband für die Herstellung der Unterfensterbank bieten diese geprüfte Sicherheit.

Unterfensterbank: doppelt schützt besser

Prüfungen und Untersuchungen an Forschungsinstituten haben ergeben, dass viele Fensterbanksysteme in der Baupraxis keine Schlagregensicherheit bieten. Ablaufendes Regenwasser und Schlagregen können über das sogenannte Gewerkeloch, undichte Bordprofile, Kapillarfugen oder auch Ungenauigkeiten bei Passflächen hinter die Abdichtebenen gelangen und damit zum Bauschaden führen. Daher sollte zum Schutz der Wandkonstruktion eine Unterfensterbank eingebaut werden. Mit der Absperrfolie EXTOSEAL ENCORS kann eine solche Unterfensterbank, welche die darunter liegende Wandkonstruktion vor Wassereintritt schützt, ausgebildet werden.

So sind die Fenster mit den Klebebändern sicher am Baukörper angeschlossen. Diese Abklebung bildet die zweite wasserführende Ebene. Die erste Ebene wird durch die Fassadenbekleidung bzw. durch die Fensterbank erbracht.

Erst planen, dann bauen

Eine Planung, welche die Detaillösungen, die Montageabfolge und die Zeitabläufe bei der Sanierung berücksichtigt, ist das A und O. Bei der hinterlüfteten Fassade und dem vorgesehenen Arbeitsablauf musste die Fassadenbahn eine Zeit lang als behelfsmäßiger Schutz der Konstruktion dienen. Gleichzeitig war die Unterkonstruktion zur Aufnahme der Fassade frühzeitig installiert. Dies ergab eine geometrisch stark verwinkelte Situation im Bereich der Fensterbank. Zur Lösung des Gesamtdetails und der Montageabfolge wurde ein Modell angefertigt. Anhand dessen konnte überprüft werden, ob alle Punkte stimmig gelöst waren. Dieses Modell diente dann als Grundlage für die Ausführung.

Schritt für Schritt zum dichten Anschluss

Der Grundsatz „innen dichter als außen“ wurde mit zwei verschiedenen Klebebändern gelöst, welche vor der Fenstermontage am Rahmen fixiert wurden. Mit einer Klebezone auf der Vliesseite wurden die Klebebänder auf den Rahmen geklebt. Die vollflächig klebende Rückseite wurde nach der Fenstermontage mit der Dampfbremse bzw. der Holzwerkstoffplatte verbunden. Mit dem Klebeband kann ein absolut dichter Anschluss hergestellt werden, da diese Materialien an und für sich luftundurchlässig sind. Das bedeutet, dass es hier bei korrekter Verarbeitung zu keinen Restströmungen durch die Fuge beim Blower-Door-Test kommen kann. Auf der Außenseite bietet das Klebeband den Vorteil, dass der Witterungsschutz sofort gegeben ist.

Gut Ding will Weile haben

Noch ist die Sanierung des Gesamtgebäudes nicht abgeschlossen. Das Erdgeschoss wird noch von außen gedämmt und mit neuen Fenstern versehen. Der erste Abschnitt konnte durch die offene Kommunikation, den Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie die Koordination der Arbeiten reibungslos bewerkstelligt werden. Im zweiten Sanierungsabschnitt werden die Detailpunkte des Fenstereinbaus in das alte Mauerwerk im Fokus stehen, um Feuchteschäden zu vermeiden. Der Charakter des alten Hauses ist noch zu spüren, sichtbar wird jedoch das neue Gewand. Es fügt sich fast nahtlos in die Doppelhausreihe der Siedlung aus den 1960ern ein. Wenn der Innenausbau noch rechtzeitig fertiggestellt werden kann, wird der kommende Winter zeigen, ob die Idee des Bauherrn – mit einer Kerze das gesamte Haus heizen zu können – wahr wird.

Fazit: Sehen, erkennen, planen, ausführen

Diese hier im kleinen praktizierte Vorgehensweise in der Sanierung von „sich ein Bild machen“ über Herausforderungen erkennen, Lösungen erarbeiten, visualisieren, mit geprüften Systemen arbeiten bis hin zur praktischen Umsetzung einzelner Maßnahmen kann ebenso auf größere Projekte übertragen werden. Denn je größer die Projekte werden, umso deutlicher wird die Relevanz der Planungsphasen Vordenken und Koordination der Beteiligten im Hinblick auf ein positives Ergebnis für den Bauherrn. Je enger und intensiver die Zusammenarbeit und je besser die Kommunikation, desto reibungsloser und schneller können die Abläufe gestaltet werden.

Weitere Informationen

Der Autor

Christoph Böhringer hat Holztechnik an der FH Rosenheim studiert. Er ist Anwendungstechniker bei pro clima und Referent der pro clima Wissenswerkstatt Känguru. Seminare und Termine unter www.proclima.de/seminare.

Christoph Böhringer und seine Kollegen der Anwendungstechnik sind erreichbar unter:

Telefon:  0 62 02 – 27 82.45 oder E-Mail: technik@proclima.de

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