Das Leben in der eigenen Stadt nachhaltig und langfristig mitgestalten, Freiräume zum selbst bestimmten Leben und Lernen schaffen – das hatte sich 2013 eine kleine Gruppe Studierender vorgenommen.
Rund 10 Jahre später ist es soweit „Herzlich willkommen im CA“!
Hannes & Hannah, das Moderatoren-Duo, begrüßten am 14. Juli 2023 alle Mitwirkenden, Beteiligten, ehemalige Mitglieder, Fördermitglieder sowie Vertreter der Stadt und Politik zur Eröffnung des Collegium Academicums (kurz: CA) in ihrer eigenen Aula.
Die Bewohner konnten es kaum glauben: „Heute geht ein Traum in Erfüllung“. Was anfänglich mit der Idee eines in der berühmten Straße „die Plöck“ in Heidelberg entstandenen kleinen Wohnheims begann, fügte sich heute zu einem 3-Gebäude-Komplex zusammen. Mit 46-Wohngemeinschaften im Neubau bringt es Platz für 176 Bewohner auf dem Areal des ehemaligen US-Hospital. Es folgen noch die Sanierungen des im Bestand befindlichen alten Verwaltungsgebäudes, das zukünftig 50 jungen Menschen ein Orientierungsjahr nach der abgeschlossenen Schule bieten soll, sowie das alte Pförtnerhäuschen, in dem ein Café entstehen und dem gesamten Stadtteil zur Verfügung stehen soll.
Die Entstehung des Collegium Academicums
2012/2013 saß eine kleine Weohngemeinschaft in der Plöck Heidelberg zusammen und erinnerte sich an das alte CA in der Seminarstraße. Sie selbst beschäftigen sich schon länger mit den Schwierigkeiten die das Leben eines Heidelberger Studenten mit sich bringt. Hohe Mietpreise, rein kommerzielles Interesse an Wohnobjekten, mangelndes Interesse an Demokratie sowie der fehlende Gedanke nach Suffizienz.
Daraus ergab sich eine Projektgruppe, die genau dafür einsteht. 2014 wurde dann der 1. Flyer veröffentlicht. Damals noch mit dem Glauben, sie würden irgendwann auf das ehemalige Mark-Twain-Village ziehen. Doch wie sich herausstellte ergab sich die Grundstückssuche als sehr mühsam und langwierig. So dauerte es ganze 3 Jahre für die Grundstückssuche und 3 weitere Jahre bis zur Unterschrift des Grundstücks – ein Teilareal des ehemaligen US-Hospital in Rohrbach. „Sechs Jahre lebten wir mit der Vorstellung, in einem halben Jahr ist Baubeginn.“
Margarete Over – Mitglied des CA-Projektgruppe der ersten Stunde – diskutierte genau zu diesen Schwierigkeiten mit Carl Zillich (iba Heidelberg), Felix Lauffer (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung), Wolfgang Polivka (Stadt Heidelberg) sowie Klara Müller (CA-Projektgruppe). Die derzeitige Vergabepolitik hatte es den jungen Studenten nicht leicht gemacht, eine Zusage für ein geeignetes Grundstück zu bekommen. Schließlich trafen hier zwei Welten aufeinander – Studenten & Bürokratie. Wie sollte die Vergabepolitik ein Engagement der Studierenden über mehrere Jahre sicherstellen, wie wollten sie das Vorhaben finanzieren und wie sollte das Projekt realisiert werden, ohne eine bereits vorhandene Infrastruktur?
Nach ersten Gesprächen mit der Stadt bestand kein Zweifel am Engagement der Projektgruppe. Die Stadt Heidelberg unterstütze den Gedanke der gemeinnützigen Flächenvermittlung, obwohl sie eigentlich im Vergleich zu privaten Bauträger keine Konkurrenz darstellten. Der erste Erfolg: Die Stadt Heidelberg möchte auch in Zukunft mit Unterstützung des Gemeinderates die gemeinnützige Flächennutzung berücksichtigen.
Unermüdliches Engagement und Durchhaltevermögen, diese Kombi macht’s:
„Das CA ist ein Projekt, das es als solches eigentlich nicht geben dürfte.“
Obwohl kein Eigenkapital vorhanden war, überschritten sie die Hemmschwelle eines Antrags für Fördermittel, denn ohne Moos nichts los. Aber ohne Eigenkapital in der Regel auch kein Grundstückserwerb und damit verbunden kein Anspruch auf einen Förderantrag.
Durch die zahlreichen Finanzierungs-Workshops, einem breiten Beratungsangebot gelang des der Gruppe eine Förderung in Höhe von 2,2 Millionen Euro zu erhalten und damit die ersten Schritte in die bauliche Umsetzung des CA zu gehen Das Fazit der Podiumsdiskussion: „Es muss gelingen, solche Projekte auch in die Landesförderung zu heben. Wir müssen etwas an der Vergabepolitik ändern. Ein Antrag zur Förderung muss leichter werden.“ Rundum gesagt, die Rahmenbedingungen müssen sich ändern, um Projekte, wie das CA, möglich zu machen. „Wir haben verlernt den Ermessensspielraum zu nutzen“ so Zillich.
Collegium Academicum und die Architektur
Modelll WGs © dgj Architects
Die Grundidee war von Anfang an „Die Gemeinschaft als Zentrum – und dass nicht nur architektonisch“, so Dr.-Ing. Dipl. Arch. ETH M Arch. (Dist.) BDA Hans Drexler – DGJ Architektur GmbH. Er entwickelte mit seinem Team das Modellvorhaben: VARIO WOHNEN. Beachtet wurden drei Schwerpunkte: Ressourcenschonend, kein Verzicht aber dennoch den Wohnraum reduzieren bzw. einfach teilen zu können. Entstanden sind Wohnungen, die eine Möglichkeiten bieten die Trennwände innerhalb einer Wohnung selbst zu versetzen. Dadurch lassen sich die Größen der Zimmer nach eigenem Bedarf verändern.
Die 14 m² großen Individualräume bestehen jeweils aus zwei Teilen: einer Kernzone und einer flexiblen Zone. Die Kernzone von 7 m² kann ein Bett, einen Schrank sowie einen kleinen Schreibtisch und damit alle wesentlichen Funktionen des Individualbereichs aufnehmen. Die Möbel stellen die Studierenden selbst in ihrer Werkstatt her. So können Bewohner:innen selbst entscheiden, ob sie die flexible Zone als Teil ihres Zimmers nutzen oder durch das Versetzen der Wand der Gemeinschaft zur Verfügung stellen möchten.
„Wenn aus Plänen ein Gebäude wird“ – Dipl.-Ing. Arch. Konstantin Biek, bauleitender Architekt.
Der Neubau des Projekts entstand zum Teil in Massiv- sowie in Holzbauweise. Die insgesamt vier Holzbau-Geschosse wurden parallel in einem Betonrahmen hochgezogen. Da der Holzbau lose darin steht, bestand die Kunst darin, einen Abstand von 25 mm einzuhalten. Aufgrund der Pandemie ergaben sich vor allem logistische Herausforderungen, der Bauzeitplan geriet ins Stocken, Baubesprechungen mussten online durchgeführt werden, es kam zu Materialengpässen und Preiserhöhungen. Zudem kam es noch zu einer Änderung hinsichtlich des Brandschutzes der technischen Baubestimmung im Holzbau. Nichtsdestotrotz konnte durch die Vorfertigung der Elementbauteile wieder ordentlich Zeit gut gemacht werden.
Nach 3 Jahren war es dann endlich soweit. Die Teilfreigabe für den Neubau war da. 18 Gewerke – 150 Personen (ohne Vorfertigung), 6 Fachplanungsbüros, 5 Sachverständigenbüros, 6 Ämter, 2 Gutachter, 2 Architekturbüros und die CA-Projektgruppe, die den Innenausbau der 46 Wohneinheiten in Eigenregie durchführte, haben es geschafft 2023 den Traum der jungen Erwachsenen wahr werden zu lassen. „Jetzt sind wir da, um zu bleiben.“
Dazu gab es ein großes Lob von Biek für das Durchhaltevermögen, Engagement & Enthusiasmus den die Studenten an den Tag legten.
Altes und Neues verbinden
Gegen Ende des offiziellen Teils rückte das alte CA nochmals in den Fokus. Zur Eröffnung erhielten sie von den ehemaligen Mitgliedern ein Bild des Gebäudes aus der alten Seminarstraße, dem ursprünglichen CA. „Dieses soll an einen Ort, zu dem es gehört“ heißt es. Einige der Ehemaligen unterstützten die Projektgruppe mit ihrem Erfahrungsschatz, von ihnen konnten sie einiges lernen. Gerade was Demokratie angeht einer der Kernpunkte des damaligen und des auferstandenen CA.
Mit der Einweihungsfeier ist das Projekt allerdings noch nicht abgeschlossen. Der Altbau soll bis Herbst 2023 fertig saniert werden. Auch hier kommen pro clima Produkte zum Einsatz.
Nach Fertigstellung öffnen sich dort die Türe der CA Initiative FALT’R, ein Orientierungsjahr für junge Menschen nach der Schulzeit, um sich auszuprobieren, einzubringen und eigene Ideen umzusetzen – sich wortwörtlich zu entfalten. Ziel ist es auch, mit diesem Projekt Kultur nach Heidelberg zu bringen.
Zum Abschluss gab es noch reichlich Wünsche an das CA aber eine Message war so klar, wie keine andere. „Tragt euer Wissen in die Breite aber bewahrt auch euer Nichtwissen, um weiterhin mutig zu bleiben“.
Die zukünftige Herausforderung
10 Jahre Fleiß, Schweiß, Nerven, Erfahrungen und vor allem Wissen sind in Planung, BAU und die Entstehung des neuen CA geflossen. Wissen, das es nun gilt, auch an die nächste Generation von Studierenden zu übergeben. Eine Herausforderung, die, wenn sie gut gelingt, über Erfolg und Fortbestehen des Collegium Academicums entscheiden wird. Unterstützt wird die junge Gruppe hierbei vom Mietshäuser Syndikat (MHS), dem das CA als selbstverwaltetes Wohnprojekt angehört. Das Wissen soll nicht nur im CA geteilt, sondern auch an andere Mietshäusersyndikatsprojekte weitergeben werden.
pro clima begleitet und sponsert das Projekt bereits seit 2019.
Allgemeine Infos zum Projekt finden Sie auf der Seite des Collegium Academicum
und in unserem pro clima TV-Video:
Eine Antwort auf “Studierende und Azubis bauen ihr eigenes Wohnheim. Das Motto: „Besser, anders, weniger“.”